Fehler in der Trainingssteuerung

Unter dem Titel “If overuse injury is a ‚training load error‘, should undertraining be viewed the same way?”, veröffentlichten Gabbett et al. 2016 ihren Artikel im British Journal of Sports medicine.

Verletzungen, die durch eine Überbelastung entstehen, sind Fehler in der Trainingssteuerung!
Sind Trainingsbelastungen unangemessen hoch, so kann dies zu Überlastungsverletzungen unabhängig von der jeweiligen Sportart führen. Es macht Sinn, diese Art von Verletzungen von zwei Seiten zu betrachten:

Einmal hinsichtlich einer Überbelastung (overloading), beispielsweise durch zu hohe Belastungsspitzen im Training. Auf der anderen Seite aber auch mit einem Blick auf das sogenannte „underloading“, wenn der Athlet aufgrund einer zu niedrigen chronischen Belastung nicht auf höhere Belastungen vorbereitet ist. Diese beiden Faktoren hängen eng miteinander zusammen, denn einem „underloading“ folgt häufig ein anschließendes „overloading“. Da diese Belastungen im Training in der Regel gut kontrollierbar und modifizierbar sind, kann man das Auftreten solcher Verletzungen auch als eine Folge von Fehlern in der Trainingssteuerung sehen.

Wer ist für das Auftreten von Überlastungsverletzungen verantwortlich?
Athletik- und Konditionstrainer, welche hohe akute Belastungen anordnen und  gleichzeitig wenig chronische Belastbarkeit aufgebaut haben, stehen zunächst in der Kritik. Aber auch die medizinische Abteilung, welche generell die Belastung zu stark reduziert, muss sich verantworten.

Hinzu kommt der Sportler selbst, welcher Überlastungssymptome ignoriert oder neben dem Sport anderweitige hohe Belastungen (körperlicher oder psychischer Stress) erlebt. Eine große Fehlerquelle ist außerdem die Kommunikation und die Zusammenarbeit von Sportartentrainer, Physiotherapeuten, Ärzten und Athletiktrainern (Medical Athletic Coaches).
Zusammengefasst geht es hier nicht um Schuldzuweisung, sondern vielmehr darum, dass erkannt wird, wie wichtig doch die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb des „Teams“ ist.

Das „schwarze Loch“ der Saisonpause
Ein häufiges Problem in der Belastungssteuerung von Training sind die Zeiten neben der Saison. Je nachdem in welche Sportart man schaut, finden wir Saisonpausen mit einer Zeitspanne von wenigen Tagen bis hin zu acht Wochen. In dieser Zeit bekommen zwar viele Athleten einen Trainingsplan mitgegeben, allerdings kann die Durchführung schlecht überprüft werden. Zudem kann das Athletikteam die Trainingswirksamkeit durch Monitoring nur schwer erfassen, um die Trainingsintervention gegebenenfalls anzupassen. Diesen Zeitraum könnte man auch als „schwarzes Loch“ bezeichnen. Häufig verlieren hier die Sportler ihre Belastbarkeit aufgrund mangelnder Trainingsbelastung. Dies wiederum steigert das Verletzungsrisiko der Sportler in der folgenden Saison-Vorbereitungsphase und kostet möglicherweise sogar sportliche Erfolge. Deshalb ist es wichtig den Athleten darüber aufzuklären, warum dieses Training in der Saisonpause für ihn so wichtig ist. Es ist sinnvoll, dass auch hier der Athlet sein Training selbst dokumentiert (Trainingstagebuch, Apps usw.) und gegebenenfalls Besonderheiten (Erkrankung, Schlaf, Stress usw.) mit aufzeichnet, sodass das Trainerteam zu Beginn der Vorbereitungsphase die Belastbarkeit des Sportlers besser einschätzen kann.

Nicht alle Trainingsbelastungen bergen dasselbe Verletzungsrisiko
Das acute:chronic workload ratio (siehe frühere Beiträge im ReSearch Bereich der spt-education) ist ein sehr praktisches und anwenderfreundliches Tool um die Trainingsbelastung der Athleten zu überwachen und ein Verletzungsrisiko zu erkennen.

Ein acute:chronic workload ratio von ≥1.5 wird mit einem erhöhten Verletzungsrisiko in Verbindung gebracht. Treten hohe Belastungsspitzen (acute = Belastung der letzten Woche) auf und es liegt eine geringe Belastbarkeit vor (chronic = Belastung der letzten 3-6 Wochen), so hat dies Einfluss auf das Verletzungsrisiko. Dies wiederum bedeutet auch, dass generell eine hohe chronische Belastung einen präventiven Charakter besitzt. Verletzungen treten meistens dann auf, wenn zum Zeitpunkt der Belastungsspitze eine sehr niedrige oder eine extrem hohe chronische Belastung vorliegt. Diese Überlegungen sollten in der Trainingsplanung von Makro-, Meso- und Mikrozyklen einbezogen werden.

Wofür trainieren wir überhaupt?
Wie kann denn nun das Trainerteam am besten Zusammenarbeiten um das Verletzungsrisiko der Sportler zu minimieren? Um hierauf eine Antwort geben zu können muss die Voraussetzung der Sportart betrachtet werden. Welche physischen Anforderungen werden in dieser Sportart im Training und im Wettkampf erwartet? Wenn das verstanden wurde, dann kann hieraus abgeleitet werden, wann der Sportler welche physische Leistungsfähigkeit zeigen sollte. Wenn der Athlet nicht auf die Anforderungen des Wettbewerbs vorbereitet wird, dann wird er diese im Zweifel auch nicht verletzungsfrei bewältigen können. Wenn „overloading“ und „underloading“ als ein Fehler in der Trainingssteuerung angesehen wird, so muss auch die fehlende Vorbereitung auf die Wettkampfbelastung als ein solcher betrachtet werden.

Verloren im „Bermuda Dreieck“
Innerhalb des Trainerteams findet man leider noch zu häufig eine Art „Bermuda Dreieck“ in dem ein Athlet verloren gehen kann. Auch wenn jeder einzelne seine Rolle versteht und gut ausführt, so ist die Kommunikation untereinander unerlässlich um einen Sportler optimal zu betreuen und Risiken aus unterschiedlichen Blickwinkeln zusammenzutragen.


Den kompletten Artikel findet ihr hier