Gleichzeitiges Kraft- und Ausdauertraining?

Kann man Kraft und Ausdauer gleichzeitig trainieren? 

-das Phänomen des „ konkurrierenden Trainingseffekts “-

Mit dieser Frage beschäftigen sich viele Trainer, Athleten und Wissenschaftler schon seit Jahren und Jahrzehnten.

Als limitierender Faktor wurden bislang die evolutionsbedingten Anpassungen des Menschen beschrieben. Wobei ein Mensch früher häufig lange Wege zurücklegen musste, um an Nahrung zu gelangen. Hätte er bei dieser ausdauernden Leistung einen hohen Kraftzuwachs beispielsweise durch Muskelzuwachs erhalten, so hätte er wohl ein Energiehaushaltsproblem entwickelt. Die Muskulatur hätte zu viel Energie verbraucht im Vergleich zu dem, was der Mensch durch Jagen und Sammeln hätte aufnehmen können.

Im Körper macht sich dies durch Regulationsmechanismen anhand von Enzymen bemerkbar. So hemmt das durch Ausdauerbelastungen aktivierte Enzym AMPK (AMP-aktivierte Proteinkinase) die Aktivierung des Enzyms mTORC1 (mammilian target of rapamycin complex 1). Dieses Enzym ist an der Steuerung der Proteinsynthese beteiligt und ein wichtiger Stimulator der Muskelhypertrophie. Um dennoch den in vielen Sportarten nötigen Ansprüchen gerecht zu werden viel Kraft zu haben und gleichzeitig ausdauernd zu sein, suchen Wissenschaftler und Trainer schon lange nach Möglichkeiten dem in der Evolution entstandenen Mechanismus auszuweichen. Um diese Mechanismen zu umgehen, muss man die Wirkungsweisen und die Wirkdauer der Enzyme genauer betrachten.

AMPK: Das AMPK greift in die Energiebereitstellung bei aeroben Tätigkeiten ein. Aktiviert wird es durch eine hohe AMP (Adenosinmonophosphat)-Konzentration, die für einen erhöhten ATP (Adenosintriphosphat)-Verbrauch spricht. Das AMPK erhöht die Geschwindigkeit der Glucoseaufnahme und Fettverbrennung in den Muskeln und stellt somit weiterhin Energie bereit, was eine verbesserte Ausdauerleistung bewirkt.

mTORC1: mTORC1 ist der bislang stärkste Marker für die Entwicklung von Kraftzuwachs und Muskelhypertrophie. Dies geschieht durch die stimulierende Beeinflussung von mTORC1 auf die Proteinsynthese.

AMPK führt also zusammengefasst zu besserer Ausdauerleistung, mTORC1 zu mehr Kraftzuwachs. Jedoch hemmt eine hohe AMPK-Konzentration die Aktivierung von mTORC1.

Will man die AMPK-Konzentration verringern (damit mTORC1 nicht gehemmt wird), so muss man die Wirkdauer des Enzyms beachten. Diese verringert sich, wenn durch Energiezufuhr die Glykogenspeicher der Muskeln wieder gefüllt werden und schaltet daraufhin die Aktivierung ab, da genug Energie vorhanden ist und die „Dienstleistung“ von AMPK nicht mehr benötigt wird. Das mTORC1 wird erst nach dem absolvierten Krafttraining während der Erholung vermehrt aktiviert. Innerhalb der Zeit von 30 Minuten bis zu 7 Stunden wird das Enzym maximal aktiviert und kann bis ca. 24 Stunden nach dem Training aktiv sein. Je länger die Konzentration möglichst hoch aufrechterhalten werden kann, desto optimaler wird der Trainingseffekt in Form von Kraftzuwachs gestaltet. Auch die Supplementierung von Aminosäuren, vor allem die sogenannten BCAA’s (Branched-Chain Amino Acids) wie Leucin, Isoleucin und Valin, die vom Körper nicht selbst hergestellt werden können, sorgen für eine höhere mTORC1-Konzentration. Es ist allerdings zu beachten, dass die mTORC1-Aktivität und somit auch dessen Einfluss auf die Proteinsynthese, durch eine lang anhaltende hohe Konzentration an Aminosäuren im Blut, einen Bremsmechanismus entwickelt und abschaltet. Die Supplementierung muss also zielgerichtet und bedacht durchgeführt werden. Gleichzeitig kann die zusätzliche Aufnahme von Kohlenhydraten zu einer Steigerung des insulinähnlichen Wachstumsfaktors IGF-1 führen, welches wiederum auch die mTORC1-Produktion steigert.

Aus den oben beschriebenen Fakten ergeben sich folgende Trainingsstrategien, um möglichst parallel die Ausdauerleistungsfähigkeit und den Kraftzuwachs zu steigern:

1. Das Ausdauertraining sollte zeitlich vor dem Krafttraining liegen, am besten morgens. Durch Energieaufnahme nach dem Ausdauertraining verringert sich die AMPK-Aktivität, sodass am späten Nachmittag der mTORC1-Aktivierung durch das Krafttraining, nicht entgegengewirkt wird. Danach kann die mTORC1-Konzentration über die Nacht möglichst lange aufrechterhalten werden.

2. Die Aktivierung von AMPK ist bei höherer Intensität besonders stark. Im besten Fall wird durch eine langsame Ausdauereinheit zunächst der Glykogenspeicher der Muskulatur geleert, damit anschließend durch beispielsweise intensive Intervalle ein möglichst hoher metabolischer Stress entsteht und die AMPK-Aktivierung erhöht wird.

3. Ernährungsstrategisch ist zu beachten, dass nach der Ausdauereinheit Kohlenhydrate aufgenommen werden. Vor dem Krafttraining kann die Aufnahme von Proteinen und BCAAs die mTORC1-Aktivierung verstärken und diese durch eine weitere Einnahme bis 1 Stunde nach dem Training noch optimiert werden, da dies den IGF-1-Wert erhöht.

4. Die Wiederholungen beim Krafttraining sollten pro Serie auf 6-8 Wiederholungen (im Bereich von 70-85% des 1 Repetition Maximum) innerhalb von maximal 60 Sekunden beschränkt bleiben, da ansonsten die muskulären Speicher für die Energiebereitstellung nicht ausreichen und wieder AMPK aktiviert wird. Dazu zählt auch eine Serienpause von mind. 2 Minuten. Weiterhin zu beachten ist, dass exzentrisches Training weniger ATP verbraucht und dennoch mehr Kraft entwickelt (also höhere Gewichte eingesetzt werden können) als beim konzentrischen Training.

Insgesamt bleibt allerdings zu sagen, dass auch diese ausgefeilte Strategie nie effizienter sein kann als ein alleiniges Training von Kraft oder Ausdauer.

Zusammengefasst aus:

Peak Performance. Strength and endurance training – can both the elements be mastered at once? (Training for both strength and endurance will never be as effectiv as training for either individually) 

Quellen:

1. Acta Physiol Scand. 2005 184: 59-65

2. Eur J Appl Physiol. 2008 102: 145-52

3. Eur J Appl PhysiolOccup Physiol. 1980 45: 255-63 

4. Am J Physiol. 1999 276: C120-7