Gehirnerschütterung im Sport – ein unterschätztes Risiko? (Teil 2)

Wie macht sich eine Gehirnerschütterung bemerkbar?

Bei einer Gehirnerschütterung können die Funktionsstörungen des Gehirns sehr vielfältig sein. Je nachdem welches und vor allem wie heftig ein Gehirnareal betroffen ist, treten die Symptome sehr unterschiedlich auf. Ebenfalls spielt die Vorgeschichte der bereits erlittenen Kopfverletzungen eine Rolle.

Sollten Sportler z. B. nach einem Zusammenprall mit einem Gegner berichten „sie haben Sterne gesehen“ oder  „Glocken läuten gehört“ müssen die Betroffenen sofort aus dem Spiel- und Sportgeschehen genommen werden. Wenn der Sportler sich plötzlich unsicher auf den Beinen bewegt oder sich auffällig verhält, liegt der Verdacht einer Gehirnerschütterung nahe. Häufig sind die Symptome schnell verschwunden und der Betroffene scheinbar wieder 100-prozentig fit. Hier ist Geduld gefragt und man sollte sich nicht auf diesen Eindruck verlassen.

Die häufigsten Symptome können in drei Gruppen eingeteilt werden und treten sowohl einzeln, als auch mehrfach nebeneinander auf. Dabei sind Ebenen des Bewusstseins und des Denkens betroffen. 

Typische Körpersymptome:

  • Kopfschmerzen
  • Schwindel, Übelkeit, Nackenschmerzen
  • verschwommenes Sehen, Blitze, Doppelbilder, Licht- und Lärmempfindlichkeit
  • Erbrechen
  • Gleichgewichtsstörungen, Kribbelgefühl der Haut

Am häufigsten werden Kopfschmerzen genannt (70%), gefolgt von Schwindel mit etwa 30-50%. Die übrigen Anzeichen können beobachtet oder müssen erfragt werden.

Kognitive Symptome:

  • Störungen des Denkprozesses
  • (geistige) Müdigkeit/Ermüdung,
  • Verlangsamung im Denken und der Reaktion,
  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen,
  • Verminderung der Reaktionsschnelligkeit,
  • Erinnerungsstörungen, Gedächtnislücken, Hauben-/Wattegefühl (Nebel vor den Augen)
  • Störungen der Emotionen und der Persönlichkeit 

Ebenfalls können Schlafstörungen, wie vermehrte Schläfrigkeit, vermehrter/verminderter Schlafbedarf oder Einschlafstörungen auftreten. Diese Zeichen weisen ebenfalls sehr deutlich auf eine Gehirnerschütterung hin.

Weiterhin kann zwischen akutem und späterem Trauma unterschieden werden. Anzeichen dafür sind:

Akut:

Kopfschmerzen und Schwindel z. B. Aufmerksamkeitsbeeinträchtigung, leerer Blick, verzögerte Reaktionen, Unfähigkeit sich zu konzentrieren, verwaschene Sprache, Koordinationsstörungen, Desorientierung, unnatürliche emotionale Reaktionen, Gedächtnisstörungen oder Störung des Bewusstseins.

Später:

anhaltende/vermehrte Kopfschmerzen, Schwindel/Benommenheit, schlechte Aufmerksamkeit und Konzentration, Gedächtnisstörungen, Übelkeit oder Erbrechen, leichte Ermüdbarkeit, Reizbarkeit, Lichtempfindlichkeit, Geräuschempfindlichkeit, Angst, Depression oder Schlafstörungen.

Heute wird irrtümlicherweise immer noch davon ausgegangen, dass ein Schädel-Hirn-Trauma immer zu einem Bewusstseinsverlust, Erinnerungsstörungen und Erbrechen führt. Dabei ist zu beachten, dass diese Anzeichen nicht zwingend vorliegen müssen, sondern schon bei einer der o.g. Anzeichen vorsichtig geboten sein sollte.

Akutmaßnahmen am Sportplatz und in der Trainingshalle

Besteht der Verdacht einer Hirnfunktionsstörung gilt folgendes Prinzip:

„When in Doubt – Take him out!“

Im besten Fall erfolgt durch den Mannschaftsarzt eine Beurteilung des Betroffenen mit Hilfe eines Notfall-Management-Protokolls. Dabei sollte auch ein Halswirbelsäulen-Schutz berücksichtigt werden. Ein sofortiges Ausscheiden aus dem Sportgeschehen des Betroffenen ist unerlässlich. Durch die sog. Pocket-Recognotion-Tool Testung (https://www.bisp-sht.de/SharedDocs/Downloads/DE/SHT/SCAT3.pdf?__blob=publicationFile&v=2) können klinische und neuropsychologischen Folgen einer Gehirnerschütterung abgefragt werden. Dabei werden vom verunfallten Sportler die subjektiv vorliegenden Symptome markiert und durch den Trainer/Betreuer/Sportphysiotherapeuten grob eingeschätzt. Hierbei werden Denkfunktion und Gleichgewichtsfunktion berücksichtigt.

Ziel ist die Beruhigung der gestörten Gehirnfunktion mit Vermeidung eines weiteren Schadens sowie ggf. schon der Beginn einer Gehirnerholung!

Hilfreiche Erst- bzw. Überwachungsmaßnahmen, die von jeder betreuenden Person durchgeführt werden können umfassen dabei:

  • Die Anwendung kühlender Kompressen an Kopf und Nacken (kein Essen, Flüssigkeit nur sehr sparsam, bei Übelkeit bzw. Erbrechen Plastiktüte bereithalten)
  • Überwachen des Bewusstseinszustandes (Ist der Betroffene gut ansprechbar? Gibt er „komische“ Antworten?)
  • Ist die betroffene Person verlangsamt oder verwirrt? Schläft sie (immer wieder) ein?
  • Ruhe bewahren, keine unnötigen Fragen stellen, für Ruhe im Zimmer sorgen. 

Ab ins Krankenhaus?

Auch hier gilt wieder ein Leitsatz:

„Lieber einmal zu oft ins Krankenhaus, als eine gravierende Verletzung übersehen!“ 

Es gibt nach wie vor keine klare Richtlinie, bei welchen Symptomen eine notärztliche Untersuchung erfolgen muss.


Umgehend soll eine Sofortabklärung erfolgen bei:

  • jeglichem, auch nur kurzzeitigem, Bewusstseinsverlust
  • Bestehenbleiben oder Verstärkung von Symptomen (z. B. Sehstörungen, Nebelgefühl, starke Müdigkeit, zunehmender Kopfschmerz, mehrmaliges Erbrechen, Gleichgewichts- und Gehstörungen, verändertes psychisches Verhalten)
  • verzögert eintretenden Symptomen (zunehmende Verschlechterung des Zustandes nach Minuten bis Stunden, z. B. zunehmende Kopfschmerzen)
  • Verdacht auf Halswirbelsäulenverletzungen

Behandlung:

Derzeit ist zur Behandlung einer Gehirnerschütterung keine spezifische Therapie bekannt. In den ersten (1-3) Tagen scheint die absolute Ruhe und die Verminderung äußerer Reize auf das Gehirn sehr wichtig zu sein. Ein leicht abgedunkeltes Zimmer (Verminderung von Lichtreizen) sollte zum Ausruhen genutzt werden.

Reize wie Musik, Fernsehen, Lernen und generell intellektuelle Anstrengungen für das Gehirn sollten auf ein Minimum reduziert werden.

„Gesund schlafen“ heißt hier das Zauberwort. Genau wie man nach einer starken Muskelzerrung nicht sofort wieder mit einem Krafttraining oder Muskelarbeit beginnt, so sollte man auch dem Gehirn nach einem „Kurzschluss“ Ruhe gönnen. Reize (Lärm, Licht) und intellektueller Arbeit (Lernen, Konzentrieren, Analysieren, Lesen, Überlegen, Grübeln) sollen auf ein Minimum reduziert werden. Körperliche und geistige Belastungen sollten erst dann wieder erfolgen, wenn die akute Symptomatik vollständig verschwunden ist.