Intensive Intervallbelastung und kortikale Gehirnaktivität

Unter dem Titel „Einfluss einer intensiven Intervallbelastung auf die Beanspruchung der kortikalen Gehirnaktivität“ veröffentlichten T.  Gronwald, S. Ludyga und K. Hottenrott ihre Studie in der Schweizerischen Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie 63 (1), 23-28, 2015. Ziel der Studie war es, den Einfluss einer intensiven Belastung auf die Hirnaktivität und anderen für die Leistungssteuerung relevanten Parametern zu untersuchen.

Aufbau der Studie

Für diese Studie wurden 16 ausdauertrainierte männliche Radsportler untersucht, welche im Rahmen einer intensiven Intervallmethode auf einem Hochleistungsfahrradergometer eine Akutbelastung absolvierten. Nur gesunde und zudem kardiovaskulär, neurologisch, pulmonal und orthopädisch unauffällige Athleten durften teilnehmen. Des Weiteren sollten die teilnehmenden Radfahrer, innerhalb der letzten 6 Monate, mindestens 12-16 Stunden (mit 300- 450km) die Woche, trainiert haben. Eine Woche vor Beginn der Studie wurde die Belastungs- und Leistungsfähigkeit der Athleten mittels einer Spiroergometrie und Stufentest erfasst. Unmittelbar vor der Testung im Studienumfeld wurde ein Ruhe-EEG abgeleitet (kortikale Aktivität über 5 Minuten mit geschlossenen und offenen Augen), bevor die Versuchsteilnehmer unter definierten Belastungsintensitäten eine intensive Intervalleinheit absolvierten.

Über eine EEG (Elektroenzephalografie) -Ableitung wurden die Frequenzbereiche Theta, Alpha 1, Alpha 2, Beta 1 und Beta 2 während der Belastung aufgezeichnet. Dazu kam die Dokumentation der Herzfrequenz (HF), des Blutlaktats (BL) und des subjektiven Beanspruchungsempfinden (RPE: Rate of Perceived Exertion). Die Belastungsblöcke bestanden jeweils aus fünf Intervallen zu je 60 Sekunden mit Pmax (maximale Leistung ermittelt aus Stufentest). Zwischen den Intervallen und Blöcken wurden aktive Pausen durchgeführt (1min. bei 100 Watt).

Ergebnisse

Vortest:

Im Stufentest erreichten die Athleten eine Herzfrequenz von 187,0 ±5,8 Schläge/min. und eine maximale Sauerstoffaufnahme von 54,0 ±6,1 ml/min./kg, sowie eine Trittleistung von 338,3 ±30,8 Watt. Diese letztgenannte maximale Wattleistung wurde als Referenzwert für die Planung des Intervalltrainings herangezogen.

Experiment:

Sowohl in der Erwärmungsphase als auch in den Intervallserien verzeichnete sich ein signifikanter Anstieg der HF, des BL und des RPE. Die aktiven Pausen waren durch einen signifikanten Abfall dieser oben genannten Werte charakterisiert. Betrachtet man die komplette Folge der drei Intervallserien, so ist zu verzeichnen, dass die HF und das RPE von Serie zu Serie kontinuierlich anstieg. Das BL hingegen viel von Serie zu Serie ab, wobei nur der Abfall zwischen Serie 1 und 2 statistisch relevant war. Alle Frequenzbereiche des EEG zeigten einen signifikanten Anstieg während der Erwärmungsphase (Theta: +264%; Alpha 1: +229%; Alpha 2: +201%; Beta 1: +197% und Beta 2: +167%). Im Vergleich zwischen den jeweiligen Intervallen und den aktiven Pausen waren signifikante Unterschiede aufzufinden (am Ende eines Intervalls wesentlich höher als während der aktiven Pause). Beschränkt man sich auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Intervallen, so verzeichnete man einen stetig abnehmenden Verlauf der spektralen Leistung von Serie zu Serie (mit Ausnahme des Alpha 1 Bereichs: Hier kam es zwischen 2. Und 3. Intervall erneut zu einem Anstieg).

Ein signifikanter Leistungsabfall konnte für folgende Bereiche gefunden werden:

1. Serie zu 2. Serie: Alpha 2 und Theta

2. Serie zu 3. Serie: Beta 2

1. Serie zu 3. Serie: Theta (-122%); Alpha 2 (-70%); Beta 1 (-84%) und Beta 2 (-86%)

Diskussion

Die Erwärmungsphase und der Beginn des intensiven Intervalltrainings zeigten den größten Anstieg der spektralen EEG-Leistung, was darauf schließen lässt, dass hier die Bewältigung der neuen Anforderungssituation für den Organismus und den zentralnervalen Regulationsmechanismen diesen Anstieg zu verantworten hat.

Es scheint so, als sei eine hohe zentralnervale Aktivierung für die Erbringung von sportlicher Leistung erforderlich. Die Konzentrationsleistung und das Bewusstwerden um die bevorstehende Intervallbelastung, sowie die Verarbeitung von efferenten und afferenten Informationen aktivieren große Bereiche des Zentralnervensystems. Diese erhöhte kortikale und subkortikale Aktivität kann allerdings auf Grund von Ermüdungserscheinungen nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden. Während sich die HF und RPE immer weiter erhöhten, kam es bei der spektralen Leistung zu einem Abfall. Auch dies unterstützt die Annahme eines auftretenden Ermüdungsprozesses bei der Hirnaktivität.

Für den Sport

Die Autoren schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass der Abfall der Hirnaktivität als Marker für Ermüdung genutzt werden kann. Des Weiteren stellen sie folgende Ideen für den Sport zusammen:


Demzufolge könnte eine gezielte Induzierung einer hohen zentralnervalen Aktivität durch wiederholte Intervallbelastungen zur Erhöhung einer Anpassungsreserve auf zentralnervaler Ebene führen und wesentlich zur Leistungssteigerung beitragen“

„Ermüdungsprozesse vollziehen sich nicht nur in der Körperperipherie, sondern auch im Zentralnervensystem.“

„Die zentralnervale Aktivierung weißt während sportlicher Belastung einen intensitätsabhängigen Verlauf auf; im Bezug zur Belastungsdauer kann ein umgekehrt U-förmiger Verlauf festgestellt werden.“

„Die Induzierung einer hohen zentralnervalen Aktivität durch wiederholte Intervallbelastungen im Training können mittel- bis langfristig zur Erhöhung einer Anpassungsreserve auf zentralnervaler Ebene führen.“

„Die Ergebnisse weiterer eigener Studien lassen den Schluss zu, dass ein Training mit größtmöglicher Variabilität hinsichtlich Belastungsnormativen, Trainingsmethoden, -mitteln sowie Gerätschaften sportartspezifisch als auch unspezifisch die Anpassung auf zentralnervaler Ebene forcieren kann.“

Die komplette Studie findet ihr hier:
http://www.sgsm.ch/fileadmin/user_upload/Zeitschrift/63-2015-1/1-2015_4_Gronwald.pdf