Heute mal eine Artikelzusammenfassung aus der aktuellen Zeitschrift „Sportphysiotherapie“ (4-2015 / Thieme-Verlag) in der die „spt-education“ auch als Mitherausgeber fungiert.
Die Wahl fiel auf diesen Beitrag, weil er sich einem wichtigem und zugleich weitgehend unterschätztem Thema widmet, dem wir in der Betreuung und Begleitung von Patienten entsprechende Aufmerksamkeit schenken sollten.
Der Titel ist selbsterklärend: „Die Angst wegbewegen“ – oder „Bewegungstherapie beginnt im Kopf“.
Die Physiotherapeutin Marie Lundberg forscht und arbeitet am schwedischen Karolinska-Institut und konzentriert sich vor allem darauf wie sich Forschungsergebnisse in die klinische Praxis umsetzen lassen.
Ein häufiges Phänomen nach Sportverletzungen verbunden mit muskuloskelettalen Schmerzen ist eine gewisse Angst vor Bewegung. Daraus entsteht im ungünstigsten Fall ein Bewegungs-Vermeidungsverhalten.
Schmerz als Auslöser – ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, schreibt Marie Lundberg, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebsschädigung einhergeht. Die IASP (International Association for the Study of Pain) geht noch einen Schritt weiter und lässt die Schmerzdiagnose auch ohne Gewebsschädigung greifen und sieht dabei folgende komplexe Komponenten: sensorisch-diskriminative, affektiv-motivationale und kognitiv-evaluative.
Die Angst vor Bewegung bezeichnet Vlaeyen (1995) als spezifische Angst vor körperlicher Aktivität aufgrund der (falschen) Annahme, dass diese eine erneute Verletzung verursachen könnte. Daraus kann sich gemäß Komi et al. (1990) eine geradezu übersteigerte, lähmende Angst vor Bewegung – die Kinesiophobie – entwickeln.
Niedergeschlagenheit, negative Gedanken, Wut, Besorgtheit, Frustration und Angst sind für Sportler durchaus bekannte „Begleiter“ nach Verletzungen. Gerade der Angst vor Bewegung wird zunehmend Bedeutung beigemessen.
Nachdem bisher vor allem Faktoren wie Bewegungsumfang oder Muskelkraft (gemäß ICF) als Gradmesser in Rehaprozessen Anwendung fanden und im Bereich Schmerz vorzugsweise nur die sensorische Komponente miteinbezogen wurde, ist jetzt auch ein sinnvoller Trend zu Fragebögen rund ums Thema Angst und Katastrophisierung (affektive, kognitive Schmerzkomponente) zu erkennen (z.B. Örebo-Musculoskeletal-Pain-Screening-Questionnaire).
Bleibt nur die Frage, ob sich nun Erkenntnisse zu den psychologischen Faktoren in das komplexe biomedizinische Modell integrieren lassen.
Zu einer sinnvollen Behandlungsstrategie gehört etwa die „In-vivo-Expositionsbehandlung“ (abgeleitet aus der kognitiven Verhaltenstherapie): dabei desensibilisiert eine systematische (Reiz-)Konfrontation den Patienten – quasi „Learning by doing“.
Wichtig erscheint das Reduzieren negativer Gedanken. Gemäß verhaltenstherapeutischer Prinzipien, verändert letztlich das Korrigieren unzutreffender Vorstellungen, das Verhalten.
Und dazu reicht es eben nicht Patientinnen und Patienten den Sachverhalt zu erklären – nein, es geht vielmehr darum sie aktiv durch diesen Veränderungsprozess zu begleiten.
Das führt die Autorin auch zu dem Schluss, dass die positiven Einstellungen und Überzeugungen des Therapeuten einen wesentlichen Einfluss auf den Behandlungserfolg haben – und umgekehrt Ängste und Unsicherheiten eher ein Hindernis darstellen.
Dazu braucht es aber natürlich auch, neben dem sicheren persönlichen Auftreten, sichere Kompetenz im therapeutischen Vorgehen und der progressiven individuell angepassten Belastungsgestaltung (Anm. der Redaktion).
Fazit von Marie Lundberg: Angst vor Bewegung nach einer Verletzung ist eine normale Reaktion. Gerade Sportler haben hierdurch jedoch viel zu verlieren.
Sie sagt: „Genau hier lässt sich das bio-psycho-soziale Modell anwenden – die Kombination aus (patho-)physiologischem Wissen mit psychologischen Kenntnissen wird an Schmerzen leidenden Patienten zu den bestmöglichen Behandlungsergebnissen verhelfen.“
In diesem Sinne: Offen bleiben für diese Aspekte und die Herausforderungen annehmen!
Für das Team der spt-education
Gerald