Dr. Stephanie Mosler und Ihre Projektgruppe aus dem Universitätsklinikum in Ulm haben sich mit den speziellen Ernährungsformen, wie z.B. der Kohlenhydratreduktion beschäftigt. Sie haben eine Übersicht erarbeitet, die Erkenntnisse und potentielle Risiken aufzeigen soll. Eine Zusammenfassung aus der “Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin” 4/2016.
Mittlerweile greifen nicht nur Spitzensportler, wie Marathonprofi und Olympiateilnehmner Arne Gabius in Ihrer Wettkampfvorbereitung auf eine low carb Ernährung zurück, sondern immer mehr Menschen in der Gesellschaft und im Leistungssport praktizieren Ernährungsformen die auf Kohlenhydratreduktion abzielen. Durch low carb soll die Fettoxidation erhöht werden und somit die Anpassung des Fettstoffwechsels angekurbelt werden. Am langen Ende soll dann eine verbesserte Leistungsfähigkeit im Ausdauersport erreicht werden. In der Praxis sieht es leider etwas anders aus. Oft wird low carb sehr unstrukturiert und ohne gesundes Basiswissen umgesetzt. Hinzu kommen Fehlinformationen von Betreuern oder Trainern hinsichtlich der Bedeutung von Kohlenhydraten im Sport.
Bereits in den 60er Jahren wurde die Bedeutung von Glykogen für die Leistungsfähigkeit und den Einfluss der Ernährung auf das Muskelglykogen beschrieben. Dabei ist der Glykogenverbrauch in der Muskulatur abhängig von der Belastungsintensität. Es ist hinreichend belegt, dass entleerte Glykogenspeicher die Hauptursache für Ermüdung während körperlicher Aktivität sind. Wird an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen hart trainiert, kann eine optimale Kohlenhydratversorgung Übertrainingssymptome reduzieren. Hintergrund ist der, dass bei hohen Belastungen von >80% der V02max die Kohlenhydrate die Hauptenergiequelle sind, unabhängig davon welche Ernährungsform zugrunde liegt. Die Energieflussrate, also die Bereitstellung von ATP, ist bei der oxidativen Kohlenhydratverbrennung doppelt so schnell wie aus Fetten. Wenn schnell Energie zur Verfügung gestellt werden muss, ist die Verbrennung von Kohlenhydraten unverzichtbar und der Fettverbrennung eindeutig überlegen, zumal Kohlenhydrate pro Liter Sauerstoff mehr Energie als Fette liefern.
Was bedeutet Low-Carb?
Bei den „low carb”-Ansätzen, die bisher in den relevanten Studien im Ausdauersport eingesetzt wurden, handelt es sich um kohlenhydratreduzierte, fett- und eiweißbetonte Ernährungsformen. Die Reduktion der Kohlenhydratzufuhr wurde durch eine Erhöhung des Fettanteils ausgeglichen, die Kost war an den jeweiligen Energiebedarf angepasst. Low Carb darf also nicht mit weniger Kalorien verwechselt werden. Allgemein wird unter „low carb” eine Ernährung verstanden, die zu <25% aus Kohlenhydraten und zu >60% aus Fetten besteht.
Nutzen von Low-Carb?
Unbestritten ist, dass bei einer Kohlenhydratrestriktion der Fettstoffwechsel hinauf reguliert wird. Es werden mehr Fettsäuretransporter gebildet und es kommt zu einer vermehrten Produktion von Mitochondrien sowie einer Verbesserung der oxidativen Kapazitäten. Allerdings ist während der „low carb”-Phase die Leistungsfähigkeit eingeschränkt und die Trainingsqualität leidet. In ihrem Buch „Tue Art and Science of Low Carbohydrate Performance” geben Volek und Phinney an, dass Athleten nach Ernährungsumstellung und der damit verbundenen Veränderung des Energiestoffwechsels härter trainieren, die Leistung länger aufrechterhalten und schneller regenerieren könnten. Hier muss allerdings berücksichtigt werden, dass der aktuelle Hype um „low carb” im Sport vorrangig auf enthusiastischen Behauptungen und Testimonials anstelle von evidenzbasierten Forschungsergebnissen beruht.
Mögliche Risiken durch Low-Carb?
Längere „low carb”-Phasen könnten die Leistungsfähigkeit und Regeneration sowie die Immunfunktion beeinträchtigen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass viele Athleten, die auf eine längerfristige low carb -Ernährung setzen unter allgemeiner Leistungsschwäche, unzureichender Regenerationsfähigkeit, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und erhöhter Verletzungs- und Infektanfälligkeiten leiden. Erklärbar ist dies dadurch, dass der Körper bei intensiver Belastung den Proteinstoffwechsel angreift, wenn nicht genügend Kohlenhydrate als Energiequelle zur Verfügung stehen. Dies kann zu Muskelabbau und einem geschwächten Immunsystem führen. Ebenfalls kann es zu Beeinträchtigungen in der Hormonfunktion kommen und den Trainingsstress verstärken, Übertrainingssymptome auslösen und eine katabole Stoffwechsellage erzeugen. Dadurch steigt der Cortisolspiegel, bei gleichzeitiger Absenkung des Testosteronspiegels. Folge ist ein erhöhter Protein-Breakdown und eine verminderte Proteinsynthese.
Fazit:
Das wiederkehrende Interesse an „low carb” zusammen mit Anekdoten von Leistungssportlern, die damit sportliche Höchstleistungen zu verbringen mochten, verlangt sicherlich nach einer gründlichen, wissenschaftlichen Untersuchung möglicher Vorteile einer solchen Ernährungsweise. Allerdings gibt es bisher noch keine neuen Studien, die extreme „low carb” oder sogar ketogene Diäten im Sport unter Berücksichtigung einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit rechtfertigen können. In zukünftigen Studien sollten auch langfristige Effekte auf Stoffwechselfunktionen, Blutfette, Immunsystem, Verletzungsanfälligkeit und Psyche genauer untersucht werden. Nicht zuletzt sollte aber auch bedacht werden, dass die schnellsten ausdauertrainierten Läufer aus Ostafrika kommen. Und die typische Kost eines Afrikaners besteht zu 77% aus Kohlenhydraten und nur zu 1% aus Fetten. Generell sollte jedoch nicht länger darüber diskutiert werden ob nun eine „high carb“ – oder „low carb”-Ernährung besser ist. Die Zusammensetzung der Nahrung sollte sich an der Sportart, den Trainingszielen, sowie dem Trainingszyklus orientieren. Und dabei muss man nicht zwischen der einen oder der anderen Diätform entscheiden, sondern kann – je nach Trainingsperiode – die Kohlenhydrataufnahme variabel gestalten.
Zum Abschluss noch ein Zitat des Profi-Triathleten Faris Al-Sultan:
„Ich habe keine besonderen Ernährungstricks. Ich esse – wie die meisten Triathleten – normale Mischkost und ab und an auch Fast-Food. Von Selbstkasteiung halte ich nichts: Wenn ich mich schon beim Sport anstrengen muss, will ich zumindest das Essen genießen.“