Medical Flossing – Eine neue Möglichkeit der Schmerztherapie?

Schmerzen lindern und Beweglichkeit verbessern durch Medical Flossing (MF)? Was steckt hinter dieser neuen Behandlungsmethode, die immer mehr Einzug in die Praxis erfährt? Eine Zusammenfassung aus der Zeitschrift “physiopraxis” Ausgabe September 2015.

In den USA ist die Methode unter dem Namen „Voodoo Flossing“ besser und schon lange bekannt. In Deutschland beispielsweise versuchen nun Ralf Blume und sein Kollege Andreas Ahlhorn das MF zu etablieren. Grund dafür waren eigene positive Erfahrungswerte. Mit Hilfe eines dehnbaren Latexbandes wird das gewünschte Areal durch den Therapeuten abgebunden. Dabei ist zu beachten, dass jede Anlage des Bandes individuell ist. Hauptziel der Behandlung ist eine verbesserte und schmerzreduzierte Beweglichkeit. Durch die Kompression des Bandes in Kombination mit Bewegung lassen sich die Spannungen im Gewebe sehr schnell verändern. Der Muskeltonus im myofaszialen System kann somit positiv beeinflusst werden. Mechanorezeptoren werden durch die Reibung des Bandes ebenfalls stimuliert. Eine Ansteuerung der Rückenmarksebene ist somit möglich. Durch auftretende Zug- und Druckbelastungen wird das Gewebe angeregt und wandelt die mechanischen Signale in biochemische Signale um. Es gibt derzeit drei klare Wirkmechanismen der Anwendung. Hoher Druck auf das Gewebe löst den sogenannten Schwammeffekt aus. Ein venöser Rückstrom des Blutes ist nahezu unmöglich. Das extrazelluläre Gewebe, Muskelzellen und das Endomysium werden förmlich ausgepresst. Folge dessen lassen sich lymphpflichtige Lasten und Abfallprodukte abtransportieren. Wird das Band gelöst, werden Muskeln, Gewebe und Faszien mit neuer Flüssigkeit und Energie versorgt. Besonders bei akuten Verletzungen mit Schwellungen macht eine derartige Anwendung Sinn. Medical Flossing kann ebenfalls helfen, ein schmerzhaftes Durchbrechen von Bewegungseinschränkungen zu ermöglichen. Kinetic Resolve wird der Effekt in Fachsprache genannt. Dabei verschieben sich die Faszienschichten und das subkutane Gewebe, Muskeln und Gelenke gegeneinander. In der Theorie ist dieser Effekt auch unter der Gate-Control-Theorie bekannt. Für die Schmerzlinderung ist die subkutane Irritation ein sehr wichtiger Wirkmechanismus. Wie vielleicht schon häufiger gehört, lassen sich durch Druck- und Bewegungsimpulse die Mechanorezeptoren reizen und bewirken somit eine nozizeptive Hemmung im segmentalen Hinterhorn des Rückenmarks. Der Therapeut entscheidet letztlich selbst und individuell über den Druck, die Anlage und Bewegung. Dadurch lassen sich unterschiedlich starke Schwammeffekte, Kinetik Resolve und subkutane Irritation erreichen.

Bis dato gibt es noch keine Evidenz für den Wirkungsnachweis von Medical Flossing. Erfahrungswerte der jeweiligen Therapeuten und Anwender, sowie das Patientenfeedback lassen jedoch vermuten, dass mehr als nur „Voodoo“ hinter der Latexband-Anwendung steckt. Aktuell arbeiten die beiden deutschen Experten Blume/Ahlhorn an einer Pilotstudie und planen eine zeitnahe Veröffentlichung der Ergebnisse. Erkennbar ist aber deutlich, dass z.B. in der deutschen Fußballbundesliga das Flossing immer häufiger zum Einsatz kommt. Es bleibt abzuwarten, wohin die Reise des „Wunderbandes“ geht.

Für das Team der spt-education

Oliver