Verletzungen im Laufsport

Die Laufsaison ist im vollem Gange. Passend dazu heute eine Zusammenfassung eines Artikels aus dem Aspetar-Sports-Medicine-Journal vom Juli 2014 (aber immer noch aktuell) mit dem Titel: „Prevention of running related injuries“ – im Fokus steht also die Prävention von Verletzungen im Laufsport.

Der niederländische Autor Steef Bredeweg nimmt eingangs Bezug auf die Historie und erinnert daran, dass Laufen seit Jahrmillionen in unseren Genen steckt. Menschen waren diesbezüglich in der Geschichte einzigartig, weil es ihnen möglich war auch lange Distanzen in feuchten und heißen klimatischen Bedingungen zu absolvieren.

Zeitsprung: heute Laufen Millionen von Menschen regelmäßig – man kann sagen es ist ein sehr populärer Breitensport geworden. Marathon-Events überall – allein beim New-York-Marathon starten jährlich mehr als 50.000 Läuferinnen (rund 40%) und Läufer. Dabei liegen die errechneten Durchschnittszeiten bei den Männern knapp unter und bei den Frauen knapp über 5 Stunden.

Laufen hat viele bekannte positive Effekte (Herz-Kreislauf-System, mentale und soziale Benefits etc.) aber man darf auch die möglichen Risikofaktoren nicht außer Acht lassen. 

Das „Injury-sequence-model“ von van Mechelen (A: Problemerkennung und Einschätzung; B: Ätiologie und Mechanismen; C: Entwicklung und Einführung von Präventivmaßnahmen; D: Überprüfung der Effektivität von C durch A) diente dem Autor quasi als Vorlage für seinen Artikel.

Schritt 1: Problemerkennung und Einschätzung
Die Inzidenzrate von laufbedingten Verletzungen (RRI = running related injuries) variiert von rund 20-85% und von 3 bis 59 RRIs auf 1000 Laufstunden.

Schritt 2: Ätiologie und Mechanismen von RRIs
Meistens handelt es sich im Laufsport um Überlastungsprobleme sogenannten „Overuse-injuries“. Zugrunde liegende Risikofaktoren (die sich in extrinsische und intrinsische divergieren lassen) sind zu 60-70% „trainingsbedingte“: zu kurze Adaptationszeiten (zu kurze Pausen), zu hohe Intensitäten, zu große Belastungsumfänge und dergleichen mehr.

Bredeweg zitiert Hreljac der wiederum 3 Risiko-Faktoren-Gruppen unterscheidet:
1. Training
2. Anatomie
3. Biomechanik

Im Training sind Variablen wie Belastungsfrequenz, Trainingsintensität, Dauer, Technik, Schuhmaterial, Einlagen etc. ein Thema. Angemerkt sei hier, dass laut van Gent keine Evidenz dafür besteht, dass Stretching, Warm-up und Cool-down, Laufuntergrund einen Einfluss auf RRIs haben. Auch bei den Laufschuhen scheint es schwierig eine klare Aussage im Hinblick auf das präventive Potential zu machen.

Risikofaktor „Lauftechnik“ – hier werden vor allem die Fußaufsatz- bzw. Abdruckmuster in Betracht gezogen. In einer Studie von Larson konnte gezeigt werden, dass bei Hobby-Marathonläufern 89% dominant über die Ferse abrollen, rund 3% über den Mittelfuß laufen und 2%  Vorfußläufer sind. Daoud et al. kommen interessanterweise bei einer Untersuchung an leistungsorientierten „Cross-Country-Läufern“ zum Ergebnis das Fersenläufer 2,5 mal häufiger Probleme entwickeln als Mittelfußläufer.

Das würde Lieberman´s These unterstützen: „How you run is more important than what is on your feet.“ – aber auch: „What is on your feet can effect how you run“.

Die angenommenen anatomischen (intrinsichen) Risikofaktoren sind mannigfaltig – vom Fußtypus über Gelenksbeweglichkeit, Gewölbeausprägung, Beinlängendifferenzen, Geschlecht, BMI, bis hin zum Alter.

Zum Fußtypus lässt sich sagen, dass Nielsen bei einer Studie mit 900 Laufanfängern (alle mit neutralen Schuhen) die 1 Jahr lang begleitet wurden und in „Supinierer“, „Pronierer“ und „Neutralläufer“ unterteilt wurden, feststellen konnte, dass es keine Zusammenhänge zwischen Fußtypus und RRIs gab! 

Der Autor nimmt weiter Bezug auf eine interne Studie, die auch den Risikofaktor „Asymmetrie“ etwas außer Kraft setzt: so gibt es offenbar eine hohe Variabilität in der Asymmetrie von Laufmustern im Vergleich von unterschiedlichen Läufern aber auch im Laufmuster selbst. Es konnte kein direkter Zusammenhang zwischen Asymmetrie und der Inzidenz von RRIs abgeleitet werden.

Zu guter Letzt nimmt Bredeweg noch biomechanische (kinematische und kinetische) Marker unter die Lupe.

Beispielsweise verändert sich beim Barfußlaufen das Landeverhalten dahingehend, dass der Erstkontakt am Vorfuß oder Mittelfuß passiert und es damit laut Kumala zu reduzierten patellofemoralen Belastungen und geringeren Momenten in der Knie-Frontal-Ebene kommt jedoch offensichtlich größere Kräfte auf die Plantarflexoren und Achillessehne wirken.

Aber auch das dürfte wohl nicht der (um den Autor zu zitieren) „heilige Gral“ der RRI´s sein, dennoch aber klinisch interessant für Läufer mit beispielsweise Patella- oder Achillessehnenproblemen, da schon einfach Technikumstellungen Abhilfe schaffen könnten.

Im vorliegenden Artikel wird dann noch auf die proximalen Strukturen (Lumbal-Becken-Hüft-Komplex) eingegangen, die natürlich Einfluss auf Kinematik und Kinetik der unteren Extremität nehmen. So wird festgestellt, dass eine reduzierte Rumpfstabilität (und damit LBH-Kontrolle) ein möglicher Risikofaktor für RRIs sein könnte. 

Nun zum letzten Schritt des van Mechelen Models – den Interventionen:

Noch wenig Evidenz gibt es darüber, ob und wie sich Trainingsinterventionen präventiv auswirken können.

Interessanterweise scheinen Einlagen doch (zumindest in einer Studie mit Soldaten nachgewiesen) das Risiko für RRIs positiv zu beeinflussen.

Aber zusammenfassend lässt sich sagen, dass vieles noch im Unklaren ist und weitere Studien zu diesem Thema angebracht erscheinen.

Abschließend gibt der Autor noch ein paar wenige und auch eher überblicksmäßige Hinweise, wie die klinische und praktische Umsetzung aussehen könnte:„Good advice is to start low and go slow“.

Also die Belastungskonfiguration so gestalten, dass dem Läufer genügend Zeit bleibt um sich auf die Beanspruchungen adäquat zu adaptieren.

Nochmals wird in Erinnerung gerufen, dass wohl die meisten RRIs mit Fehlern in der Trainingsgestaltung einhergehen, also aus einer „Imbalance“ zwischen Belastung, Beanspruchung und Erholung beziehungsweise Reizadaptation herrühren.

Wer dazu noch mehr wissen will dem sei hier noch der Link zum Originalartikel empfohlen:

http://www.aspetar.com/journal/viewarticle.aspx?id=174#.Vt029ozhAy4

Noch eine persönliche Anmerkung sei mir erlaubt – es lohnt sich dem Thema „auf den Fersen zu bleiben“ – Laufsport boomt und ist auch für unsere Berufsgruppe ein spannendes Arbeitsfeld. Passend dazu dient die Weiterbildung Medical Specialist for Runners! 

In diesem Sinne: viel Lesevergnügen und viel Spaß beim Laufen!

Für das Team der spt-education
Gerald